In Sicherheit
Es gibt Tage, da brauche ich Dich mehr als an anderen.
Es gibt Tage, da wache ich auf und mache den Flugmodus aus und da ist keine Gute-Nacht-Nachricht von Dir auf dem Display drauf und ich fühle mich nach Liebesentzug und schreibe traurige Sachen in mein Tagebuch.
Es gibt Tage, da schreiben wir bis 17.49 Uhr gar nichts und das ist völlig fein.
Der Unterschied an diesen Tagen bin ich. Ich brauche Dich mal mehr mal weniger. Und das ist, das verstehe ich jetzt, normal.
Draußen regnet es und mein Fenster ist offen. In meinem Elternhaus höre ich nicht die Straße, nur den Regen auf dem roten Dach. Auf der Autofahrt zurück hierher habe ich mich hinter dem Steuer erwachsen gefühlt. Als würde ich das alles – den Regen und das Leben – schon irgendwie navigieren können. Die Zeit vergeht hier anders, irgendwie langsamer, irgendwie bewusster. In Wien geht es immer von A nach B, hier spielt sich das Leben im Haus ab, gemeinsam, ganz selbstverständlich. Ich vermisse nichts. Doch, ich vermisse Dich. Ich sehe Dich hier mit am Gartentisch sitzen, beim Grillen, ich sehe Dich und mich auf der Vespa von meinem Bruder, an der Elbe lang, zur Kiesgrube fahren. Ich sehe Dich und mich im Gartenhaus aufwachen, vor dem Fenster Grün. Wir lächeln nach all diesen Monaten noch immer, wenn wir aufwachen und uns sehen.
An Tagen wie heute, wo ich kaum am Handy bin, merke ich, dass ich eigentlich auch gut ohne kann. Nein, dass ich sogar besser ohne kann. Ich zergrübele mir nicht den Kopf darüber, was Du gerade machst und ob die fehlende Nachricht vielleicht bedeutet, dass Du mich nicht richtig wertschätzt. Tut sie nicht. Ich lasse auch meine Eltern nicht mehr sitzen, um in meinem Zimmer auf Instagram irrelevante Stories zu schauen. Heute morgen habe ich sie beobachtet, wie sie draußen gemeinsam Handtücher abgenommen haben, als um 6.47 Uhr ein Regenschauer kam. Dieses Bild hat sich eingebrannt in meinem Kopf, ihre Art der Liebe. In den entscheidenden Momenten füreinander da sein. Jetzt ist wieder jeder in seinem Zimmer, aber nicht, weil wir Besseres zu tun haben. Sondern einfach, weil wir uns in Sicherheit wiegen, bis der nächste Regenschauer kommt.
Text von Sonntag, 1. Juni 2025
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